„Die Landkarte ist nicht das Land“ – ein Satz, den jeder NLP Auszubildende in seinen ersten Tagen lernt. Diese Vorannahme vermittelt uns, dass unsere Wahrnehmungen subjektiver Natur sind. Wir alle haben verschiedene Vorstellungen der Welt. Keine dieser Vorstellungen stellt die Welt vollständig und akkurat dar. Demnach stimmt auch unser Bild der Realität nicht notwendigerweise mit dem Bild anderer Personen überein.

Ich möchte in diesem Blogartikel, dieses Axiom noch etwas erweitern. Auch die Landkarten der einzelnen psychologischen Schulen sind nicht das Land.

Wie oft habe ich in den letzten Jahren, wenn ich ehemalige Schüler zu einem Refresh eingeladen hatte, den Spruch gehört „Ich beschäftige mich mit dem Ordner und arbeite die Inhalte nach“. Das lässt mich jedes Mal ganz verdutzt zurück. Ich frage mich dann, ob ich je die Inhalte nachgearbeitet habe? Definitionen je auswendig gelernt habe? Für die Prüfung zu meinem Lehrtrainer ja, aber ansonsten ging ich ins Tun. Ans Umsetzen dessen was ich erfahren hatte. Ans Umsetzen ins Leben – ins wahre Leben. Ans Üben mit anderen.

Im ersten Level einer Coachingausbildung lernst du die Theorien, die Werkzeuge (NLP nennt das Formate) kennen und übst diese auch. Das heißt – um in unserer Metapher zu bleiben – du lernst Teile der Landkarte kennen. Du lernst erste Werkzeuge kennen, mit denen du dich etwas in diesem Land bewegen kannst. Das kannst du auch mit dem Lernen einer Fremdsprache vergleichen – einfache Sätze, mit denen du dich ein bisschen zurecht findest.

Das heißt allerdings noch nicht, dass du darüber die Sprach fließend sprechen lernst und dich mit jedem in dem fremden Land bereits flüssig unterhalten kannst. Das entsteht auch beim NLP wie in anderen Coachingrichtungen erst, in weiteren Levels, wenn du tief in diese neue Sprache eintauchst, das Land beginnst zu bereisen. Du wirst merken, dass du Dinge anpassen musst. Dass nicht alles so reibungslos funktioniert. Dass du eine Flexibilität entwickeln musst. Dass du selbst dich weiter entwickeln musst, um tatsächlich mit allem was dir in dem neuen Land begegnet klar zu kommen.

Viele denken, über einen Einführungskurs oder auch auf dem ersten Level bereits alles zu wissen, was es darüber zu lernen gilt. Übersehen dabei jedoch über der Landkarte das Land mit all seinen Höhen und Tiefen, die es zu erfassen gilt.

Einige andere klammern sich fest an die Formate, vergessen es, wichtige Erfahrungen damit zu sammeln, die sich durch scheitern und neu dazu lernen ergeben. Sie stehen dann da, lesen sich das Format noch einmal durch – rein theoretisch, erfassen jedoch nicht die Struktur dahinter und was damit gemacht wird.

Das ist, als würdest du tanzen, mit einem Blatt Papier in der Hand, auf dem die ganze Schrittfolge verzeichnet ist. Was es braucht ist das Gefühl für den Rhythmus und deinen Tanzpartner. Das lernst du nicht aus dem Ordner und auch nicht am theoretischen Durchkauen der einzelnen Techniken.

Menschen, die denken, die Landkarte wäre bereits das ganze Land, tauchen nicht tiefer ein in die Themen. Entwickeln sich lediglich horizontal. Die nächste Schule, die nächste Technik, das nächste Verfahren. Was sich nicht verändert, ist die Art und Weise, wie sie die Welt wahrnehmen. Was sich nicht entwickelt, ist ihre eigene Persönlichkeit und Reife. Sie transformieren nicht die Art und Weise, wie sie selbst die Welt wahrnehmen, erfahren und auf sie reagieren.

Menschen die das Land der einzelnen psychologischen Schulen erkunden, entwickeln mehr Flexibilität. Sie können sich besser auf unterschiedliche Menschen und Kontexte einlassen und angemessener damit umgehen. Mit immer mehr Tiefe gewinnen sie mehr Freiheit und können auch besser mit komplexen Situationen und Veränderungen umgehen.

Das passiert aber nur, wenn man anerkennt, dass bei jeder psychologischen Schule die Landkarte nicht bereits das ganze Land ist und man sich auf die Themen einlässt. In die Tiefe taucht.

„NLP muss einmal durch dich durch“ hatte einer meiner Ausbilder einmal zu mir gesagt. Und das stimmt, was nicht wirklich durch dich durch geht, was du lediglich an der Oberfläche streifst, wird niemals richtig in dir selbst verankert werden. Eine unbewusste Kompetenz erreichst du nicht, wenn du die Themen lediglich aus dem Ordner lernst und nicht immer und immer wieder ins eigene Leben integrierst.

NLP ist Erfahrungslernen. Kenntnisgewinn durch Er-Kenntnisgewinn. Und den erhältst du erst, wenn du dich wirklich mit der Thematik auseinander setzt.

Wenn du es zulässt in das NLP-Land einzutauchen, erkennst du aus welchen Überlebenshaltungen du selbst heraus handelst. Du verstehst das konstruktivistische Weltbild und wie du dir selbst deine Probleme konstruierst. Du verstehst auf einmal, was auch im Buddhismus mit „Leiden ist eine Entscheidung“ wirklich gemeint ist und vieles mehr.

Das wirst du allerdings erst erfahren, wenn du beginnst, das NLP-Land zu bereisen und nicht denkst, du hättest sehr früh durch Kenntnis einer Landkarte bereits alles verstanden.

So entsteht innere Weisheit.

Jeder einzelne Ast innerhalb der Welt des NLP hat soviel Tiefe, die sich dir jedoch erst öffnen wird, wenn du den Mut hast, sie fern der Oberflächlichkeiten zu entdecken.