„Hurra wir haben einen Konflikt“ wird wohl kaum jemand sagen. Wir denken in unserer Gesellschaft viel zu oft, Konflikte seien ein Anzeichen von Schwäche und gehen ihnen gerne aus dem Weg. Doch das Gegenteil ist der Fall. Konflikte sind wichtige Bestandteile unserer Weiterentwicklung. Sie machen uns kompetenter und stabiler für das Leben. Sie zeigen unseren Entwicklungsbedarf und tragen damit sehr intensiv zu unserem Persönlichkeitswachstum bei.

Die positive Seite von Konflikten beschreibt diese Geschichte sehr treffend:

Eines Tages kam ein Mann zu Gott, ein alter Bauer und der sagte: „Schau, du magst Gott sein, und du magst die Welt erschaffen haben, aber eines muss ich Dir doch sagen: Ein Bauer bist du nicht. Du kennst nicht einmal das ABC des Ackerbaus. Da kannst du noch einiges lernen.

Gott fragte: „Was ist dein Rat?“ Der Bauer sagte: „Gib mit ein Jahr Zeit und lass die Dinge so geschehen, wie ich es dir sage, und warte ab, was passiert. – Es wird keine Armut mehr geben!“

Gott willigte ein, und so bekam der Bauer ein Jahr. Natürlich bestellte er nur das Beste und dachte nur ans Beste – keinen Donner, keinen starken Wind, keine Gefahren für die Ernte. Alles angenehm, behaglich, und er war sehr froh. Der Weizen wuchs so hoch!

Wenn er Sonne haben wollte, schien die Sonne, wenn er Regen wollte, gab es Regen, soviel er nur wollte.

In diesem Jahr lief alles richtig,

mathematisch richtig:

Der Weizen wuchs so hoch …

Der Bauer ging oft zu Gott und sagte: „Schau! Diesmal wird die Ernte so ausfallen, dass es für zehn Jahre, selbst wenn die Leute nicht arbeiten, zu essen geben wird.“ Aber als die Ähren eingefahren wurden, war kein Weizen darin. Der Bauer war überrascht. Er fragte Gott: „Was ist passiert? Was ist schiefgegangen?“

Gott sagte: „Weil es keine Widrigkeiten gab, weil du alles vermieden hast, was schlecht ist, blieb der Weizen unfruchtbar. Ein bisschen Auseinandersetzung gehört dazu. Stürme gehören dazu, und auch Donner und Blitzschlag sind nötig. Sie rütteln im Weizen die Seele wach.

Der Blick auf Konflikte ist bei uns häufig negativ, denn die meisten Menschen assoziieren damit heftige Streitigkeiten, lautstarke Auseinandersetzungen, Beleidigungen und Verletzungen. Viele Menschen sehen Probleme oder Kritik auch in erster Linie gegen sich gerichtet.

Das führt dann im Konfliktfall zu früh erlernten Konfliktlösungsmechanismen: Angriff, Flucht oder Unterwerfung.

Bei dem Muster der Flucht werden Konflikte entweder vermieden oder wenn sie entstehen ignoriert. Beim Angriff wird häufig die Zerstörung des Gegners angestrebt und bei dem Muster der Unterwerfung übernimmt jemand ungeachtet der eigenen Meinung, die Meinung eines anderen.

Ein Konflikt zeigt, dass wir unterschiedliche Meinungen in einer Sache haben. Und das ist doch gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Ressource. Doch im Konfliktfall denkt jeder, nur seine Sicht der Dinge ist die richtige Sicht.

Nur er hat Recht. Der andere liegt falsch. Doch jeder von uns hat nur einen Teilaspekt der Wirklichkeit wahrgenommen. Diesen Teilaspekt interpretieren wir in der Regel aufgrund unserer bereits vorhandenen Erfahrungen und verzerren diesen in ein bereits vorhandenes Weltbild. Konflikte zeigen uns unsere Unterschiede und unterschiedlichen Wahrnehmungen. Geht man in die Konfliktbearbeitung erkennt man, dass bei vielen Konflikten mehrere Parteien Recht haben.

Keine Konflikte zu haben, bedeutet Stillstand, denn in Wahrheit steckt ein ungeheuer kreatives Potenzial in Konflikten. Ein Zitat des Lao-Tse macht das sehr deutlich „Nur wenn man die widersprüchlichen Aussagen einer Sache gleichzeitig betrachtet, hat man die volle Wahrheit.“

Wenn wir also eine gute Konfliktkompetenz entwickeln, machen wir nicht nur Probleme bewusst und können dadurch notwendige Anreize zur Veränderung geben. Wir fördern damit auch die Lösungskreativität und entwickeln uns über unser bisheriges Weltbild hinaus. Konflikte tragen, wenn wir entsprechend gut damit umgehen können, zu unserem Persönlichkeitswachstum bei. Und ebenso zum Unternehmenswachstum.

Wer gut mit Konflikten umgehen kann, sieht weniger Konkurrenz sondern entwickelt mit der Zeit eine Fähigkeit zur Ko-Kreation, in die sich jeder mit seinen Ansichten und Meinungen einbringen kann und lernt, über die noch bestehenden Grenzen hinaus zu denken und Lösungen zu entwickeln.

Ein schönes Beispiel einer gelungenen Ko-Kreation:

Der Konfliktforscher Johan Galtung ließ einmal eine Übung mit einer Orange und zwei Kindern durchführen. Diese Kinder fanden viele kreative Lösungen in dem Streit um die Orange: Die Orange wurde ausgepresst, die Schale verwendet, ein Kuchen daraus gebacken. Aus dem Erlös wurden weitere Orangen gekauft.

Eine weitere Lösung fanden die Kinder darin, die Kerne zu pflanzen und eine Orangeplantage anzulegen. Galtungs Erkenntnis aus diesem Experiment war: Je mehr Lösungsmöglichkeiten, umso unwahrscheinlicher eine gewaltsame Konfliktlösung.

Und ein weiterer Vorteil, bei Einbeziehen der Beteiligten in den Lösungsprozess: Für diese Lösungen werden sich die Konfliktparteien dann auch einsetzen, denn sie haben sie ja gemeinsam erarbeitet.

Und vielleicht hast du durch diesen Artikel etwas deinen Blick auf Konflikte verändert und sagst beim nächsten Mal: „Hurra, wir haben einen Konflikt“ 🙂

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