Zeit sich eingehender mit dem Thema Stress zu beschäftigen. Gerade zu diesem Thema herrscht noch sehr viel Unwissenheit. Oft lese ich Studien, der allgemeinen Krankenkassen zu Stress, in denen dann letztlich angegeben wird, man wisse nicht, woher diese bedenklichen Zahlen kommen. In Deutschland sind 80 Prozent der Krankmeldungen und Frühberentungen auf Stress zurück zu führen. In Amerika steigen die Angst- und Panikerkrankungen auf annähernd diesen Prozentsatz. Diese Angst- und Panikerkrankungen sind jedoch eine Folge von lange anhaltendem chronischem Stress.

Die Psychologie unterscheidet bereits zwischen positivem und negativem Stress, die Hirnforschung geht jedoch noch einen Schritt weiter. Sie unterscheidet zwischen akutem und chronischem Stress.

Akuter Stress entsteht z.B. wenn ein Kind plötzlich in die Fahrbahn rennt und all deine Nervensysteme sofort reagieren. Noch bevor dir wirklich rational bewusst wird, was passiert, sind deine Füße schon auf der Bremse und du reißt das Lenkrad rum. Dein Unbewusstes hat die Gefahrensituation früh erfasst. Die Amygdala sendet und dein limbisches System übernimmt die Führung. Nach den Schrecksekunden stecken wir die Situation (und ich setze jetzt voraus, dass sowohl Kind als auch Fahrer mit dem Schrecken davon gekommen sind) recht gut wieder weg. Akuter Stress taucht auf und verschwindet genau so schnell wie er kommt auch wieder. Damit kann unsere System recht gut umgehen.

Schwierig wird es jedoch mit dem chronischen Stress. Der hat nichts mit Schreckmomenten zu tun.

Chronischer Stress entsteht wenn wir uns ständig in eine Stressreaktion versetzen und unser Gehirn in den Überlebensmodus schaltet. Und das kann in unserer heutigen Welt sehr schnell gehen. Wir erleben viele Situationen als emotional und psychisch stressbeladen: Abgabetermine, Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern, Kollegen oder dem Chef, Finanzen, familiäre Beziehungen und ähnliches. Diese Themen empfindet unser Körper genauso lebensbedrohlich wie körperliche Gefahren. Und dabei sind diese Situationen noch viel komplexer. Wir können uns derer nicht einfach durch Kampf oder Flucht entziehen. Wenn die Steuer fällig wird, wenn der Kunde wütend ist, die Familie in ihren Konfliktschleifen, hilft uns weder Kampf noch Flucht, obwohl viele Menschen völlig unlogisch trotzdem auf diese zwei Möglichkeiten zurück greifen.

Wir Menschen können schon allein durch den Gedanken an eine vergangene oder zukünftige Situation eine Stressreaktion auslösen. Ein einziger Gedanke reicht aus, um den Säuregehalt unseres Magens zu verändern und Bauchspeicheldrüse und Adrenalindrüsen schütten Hormone aus. Unser Herz schlägt schneller und es fließt mehr Blut in unsere Beine.

Wir Menschen sind diesbezüglich sehr machtvoll, wir können durch unsere Zukunftssorgen oder immer wieder Nachdenken über die Vergangenheit unser autonomes Nervensystem aktivieren und Stressreaktionen auslösen, die genauso ausfallen, als befänden wir uns nochmal in der Situation oder bereits mitten drin in der zukünftigen Zwangslage.

Je öfter wir die gleichen Gedanken denken, umso mehr neuronale Netzwerke werden aktiviert. Es entsteht eine dicke Datenautobahn in unserem Gehirn und mit jedem neuen Gedanken, den wir aussenden, schüttet unser Körper Chemikalien aus (CRH, ACTH, Adrenalin und ähnliches), die Gefühle und andere Reaktionen im Körper bewirken. Unser Körper gewöhnt sich allmählich an diesen Chemiecocktail. Irgendwann reicht die Dosis nicht mehr aus und fast wie bei einer Sucht, fordert der Körper mehr davon. Das heißt, auf einmal kehrt sich dieser Teufelskreis um. Es entstehen Rückkopplungsschleifen. Der Körper braucht seine Peptide und zwingt unser Gehirn in bestimmte Denkmuster.

Ist dieser Prozess erstmal in Gang, konzentrieren wir uns fast nur noch auf Kursfristigkeiten. Alles hat auf einmal höchste Priorität. Oft äußern Menschen dann „Darum kümmere ich mich, wenn ich den Kopf frei habe“. Das gilt häufig auch den Angeboten, zu lernen, diese Mechanismen zu unterbrechen und zu verändern. Eigentlich sollten wir genau dann, wenn der Gedanke „Ich brauch erstmal nen feien Kopf“ auftaucht, genau das Gegenteil tun.

Im Klartext: Tue es genau dann. Lerne genau dann. Sonst durchbrichst du den Stresskreislauf nie.

Der Körper verlangt immer mehr vom Selben und die Fähigkeit, sich zu regenerieren nimmt mehr und mehr ab.

Das heißt auch, die Volkskrankheit Stress nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn irgendwann verändert sich dadurch auch die Zellstruktur. Die Zelle ist nicht mehr in der Lage Stärkendes aufzunehmen, sei dies Sport, ein Spaziergang, Entspannungstraining oder auch gesunde Ernährung. Ist der Stresspegel permanent hoch, werden die Zellen reagieren und dem Stress entsprechende Rezeptoren ausbilden. Das ist ein natürlicher Anpassungsprozess. Und damit wird es logisch, dass wir manchen Menschen den Stress bereits ansehen.

Steige aus, aus diesen Mustern und ein in deine Veränderung. Und das vor allem gerade dann, wenn du denkst, dir fehlt die Zeit und du hast den Kopf zu voll. Dabei helfen dir jedoch keine Standardprogramme nach dem Motto „Tue dies“ und „Lasse das“, dazu ist unser Gehirn viel zu individuell verknüpft. Wir alle sind in unserem Gehirn, durch unsere genetische Veranlagung, unsere Lebenserfahrungen und unser erlerntes Wissen einzigartig verschaltet. So gehen wir auch alle unterschiedlich mit Stress um. Das ist so individuell wie unser Fingerabdruck. Hier gilt es, verstehen zu lernen, wie die eigenen Muster gestrickt sind, nur dann kannst du verändern.


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